Kultur der Reparatur – was soll das sein? Was hat Reparieren mit Kultur zu tun und warum sollte mich das interessieren? Überhaupt – gibt es nicht viel wichtigere Themen?
Schon gegen Ende des letzten Jahrhunderts waren die meisten Reparaturwerkstätten entweder verschwunden oder fristeten ein randständiges Dasein. Selbst im Handwerk wurde immer weniger repariert. Reparatur lohnt sich meist nicht, da ein Neukauf billiger ist. Entstanden ist die sog. Wegwerfgesellschaft. Es wird doch alles recycelt. Da braucht man kein schlechtes Gewissen haben.

Recyceln und Verzicht sind keine Lösungen

Doch nun wird immer deutlicher, dass dies ein Irrweg ist. Recyceln ist dabei keine Lösung. Recyceln ist aufwendig und teuer und es bleibt dennoch sehr viel nicht nutzbarer Müll übrig.
Auch wissen wir mittlerweile das die Ressourcen unserer Erde endlich sind und wir so nicht weiter wirtschaften können, wenn zukünftige Generationen noch eine Lebensgrundlage haben sollen. Das hat zum Auftreten von Verzichtaposteln geführt, die am liebsten nur noch das zulassen möchten, was unbedingt gebraucht wird. Doch das wäre keine Lösung. Einmal weil es sich nicht durchsetzen lässt und zum zweiten, weil das auch unsere Welt ärmer machen würde, ohne den kommenden Generationen wirklich zu nutzen. Verzicht bringt für den Aufwand nicht genüg. Es entsteht dadurch auch keine lebenswerte Welt.

Es gibt andere, weit bessere Wege.

Und einer dieser Wege ist die Lebenszeit von Gegenständen und Produkten durch Reparieren zu verlängern. Diese Idee findet immer Anhänger. Dies zeigt sich in der Entstehung immer neuer Reparatur Cafés. Diesen geht es nicht nur um die ökologischen und ökonomischen Aspekte der Reparatur, sondern um weit mehr. Vor allem geht es darum, junge Menschen für das Reparieren zu begeistern.

Reparieren hilft die Welt besser zu verstehen

In einer Welt, die immer schwerer durchschaubar ist, hilft Reparieren hinter die Dinge zu schauen, zu verstehen, wie sie funktionieren und in der Lage zu sein, die Funktion wieder herzustellen.

  • Reparatur erfordert analytisches und logisches Denken. Man muss einen Prozess entwickeln, wie man repariert. Oft ist ein vorsichtiges Vorgehen nach Versuch und Irrtum nötig. Dies stärkt die Lernkompetenz.
  • Reparieren fördert das Nachdenken über Nachhaltigkeit. Das hat zur Folge, dass man sich schon beim Kauf ansieht, ob das Produkt reparaturfähig ist. Dabei wird deutlich, wie viele Dinge so produziert werden, dass sie nach einer kurzen Lebenszeit, die oft kaum über die Garantiezeit hinausgeht, wertlos werden. Dank der Reparatur Cafés werden Reparaturen wieder sinn- und wertvoll ohne astronomische Preise.
  • Beschäftigt man sich mit Nachhaltigkeit von Dingen beginnt auch eine Beziehung. Dinge, die uns über einen längeren Zeitraum begleiten, wachsen uns ans Herz. Man kann dies oft bei Plüschtieren beobachten, die auch wenn das Kind längst aus dieser Zeit herausgewachsen ist. Das bedeutet auch, die Beziehungsfähigkeit wird gestärkt

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Pädagogische Aspekte der Kultur der Reparatur

All diese positiven Aspekte der Reparatur enthalten auch wichtige pädagogische Elemente. Es ist daher nur folgerichtig, sie auch in die Schule zu tragen. Dies zeigt das Projekt „Reparieren macht Schule“

Das hat uns veranlasst den Podcast „Die Kultur der Reparatur“ aufzulegen. Diesen Titel haben wir von Wolfgang M. Heckl, dem Generaldirektor des Deutschen Museums in München übernommen. Das Buch mit diesem Titel ist ausgesprochen lesenswert und inspirierend.

Der Begriff Kultur wird oft missverstanden und scheint irgendwie schwammig zu sein, obwohl er ständig benutzt wird. Kultur kommt aus dem Lateinischen Wort Cultura und bedeutet „Bebauung, Bearbeitung, Bestellung, Pflege“.

Gesellschaftlich gesehen pflegen wir die Dinge, Ideen und Vorstellungen, die wir für wertvoll halten. Dazu gehören u.a. Traditionen, der Umgang miteinander, bestimmte Verhaltensweisen wie z.B. Manieren, Bildung, aber auch Kunstwerke, Gebäude, Landschaften. Die Liste ist sehr lang. Doch solche Werte unterliegen einer beständigen Veränderung. Es treten andere Werte an ihre Stelle und alte werden vergessen.

So ging das auch mit dem Wert der Nachhaltigkeit. In einer Wegwerfgesellschaft ist Nachhaltigkeit kein Wert. Doch jetzt angesichts der Tatsache eines tiefen gesellschaftlichen Wandels, der Verknappung von Ressourcen und den möglichen katastrophalen Folgen der Erderwärmung, besinnen sich mehr und mehr Menschen dieses Wertes und der Notwendigkeit seiner Pflege.

Das Projekt „Reparieren macht Schule“

Vor diesem Hintergrund hat Walter Kraus (Mathematik- und Physiklehrer der Rudolf-Steiner-Schule München-Schwabing) mit der Unterstützung von Claudia Munz und einer ganzen Reihe ehrenamtlicher Helfer das Projekt „Reparieren macht Schule“ ins Leben gerufen. Dieses Projekt stößt auf bemerkenswertes Interesse nicht nur in Deutschland, auch in Europa und seit kurzem in den USA. Man kann durchaus sagen: das Projekt macht Schule.

Was macht das Projekt so attraktiv?

In unserem Bildungssystem haben wir weitaus mehr auf das Erlenen von Wissen gesetzt und dadurch das praktische Tun vernachlässigt. Es ist kein Zufall, dass man heute von einer Akademikerschwemme spricht und einem Mangel an Handwerkern. Das gesellschaftliche Ansehen der akademischen Berufe ist unverdientermaßen wesentlich höher als das, handwerklicher Berufe. Deswegen haben gerade Schulen eine immense Bedeutung. Gelingt es, so ein Projekt in den Schulalltag zu integrieren, lernt die kommende Generation nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch Nachhaltigkeit zu schätzen ganz abgesehen davon, dass dabei auch handwerkliche Fähigkeiten erlernt werden. Das pädagogische Konzept, das dabei umgesetzt wird, gibt den Schülerinnen und Schülern die Chance, ohne die Führung von Lehrkräften zu lernen, sie dürfen Fehler machen und sie selbst korrigieren. Nur wenn sie ausdrücklich möchten, können sie sich Hilfe und Unterstützung holen. Das macht ihnen nicht nur Spaß, weil es sie herausfordert, es steigert auch das Gefühl der Selbstwirksamkeit und hilft bei der Entwicklung kritischen Denkens.

In diesem Podcast behandeln wir die Entstehung des Projekts, warum es entwickelt wurde und welche Ergebnisse damit erreicht wurden.

Wir freuen uns, wenn es uns gelingt, Interesse zu wecken, neue Schulen dafür zu interessieren und vielleicht Sponsoren und Mitwirkende zu finden. Die beigefügten Links geben die Möglichkeit, mehr über das Projekt zu erfahren und mit Walter Kraus und Claudia Munz direkt in Kontakt zu treten.

Autor: Dr. Peter Westebbe

Link zur Schüler-Reparaturwerkstatt: https://www.schueler-reparaturwerkstatt.de/index.php/ueber-uns.html

Literaturhinweis: Wolfgang M. Heckl: Die Kultur der Reparatur, München 2013