Wir möchten in unserem Blog an eine Tradition anknüpfen und interessante und lesenswerte Bücher kurz vorstellen. Wir starten mit einer Buchempfehlung, die neue Perspektiven in unsem Verstehen der Welt und vor allem wie sie sich entwickelt, eröffnet. Es handelt sich um das Buch von Dirk Brockmann „Im Wald vor lauter Bäumen – unsere komplexe Welt besser verstehen“.

Brockmann ist Komplexitätsforscher, eine noch junge Disziplin in der Wissenschaft. Aber keine Angst, das Buch ist sehr verständlich geschrieben und setzt keinen akademischen Abschluss voraus, um Brockmanns Gedanken folgen zu können.

 

Unsere Welt ist komplex

Das ist eine ständig wiederholte Binsenweisheit. Aber was bedeutet komplex? Umgangssprachlich wird mit komplex und kompliziert oft das Gleiche gemeint. Besonders zwischen komplex und hoch kompliziert werde keine Unterschiede gemacht. Da Sprache die Wahrnehmung bestimmt, geht der wesentliche Unterschied verloren. Komplex und kompliziert unterscheiden sich jedoch fundamental. Etwas kann sehr kompliziert sein, ist aber nicht komplex oder komplex, aber nicht kompliziert. So kann z.B. ein Uhrwerk oder eine Maschine hoch kompliziert sein, ist aber nicht komplex. Ein Doppelpendel wiederum ist komplex, aber nicht kompliziert.

Der Unterschied besteht darin, dass alles Komplizierte bestimmten Regeln folgt. Diese Regeln können selbst wiederum sehr kompliziert sein und es braucht viel Zeit, sie zu erlernen wie z.B. in der Mathematik. Das Ergebnis ist vorhersagbar und soll es auch sein, sonst wäre eine Maschine völlig nutzlos, weil unzuverlässig.

 

Komplexität ist im Ergebnis nicht vorhersehbar und nicht eindeutig

Komplexität ist Vernetzung oder es sind unterschiedliche Systeme, die sich gegenseitig beeinflussen. So hängt der Klimawandel mit der Wirtschaft und der Gesellschaft zusammen. Sobald eine Änderung in einem System stattfindet, hat dies Auswirkungen auf alle anderen. Und da wir in einer komplexen Welt leben, müssen wir mit dieser Unvorhersehbarkeit leben. Dies erzeugt Unsicherheit, eventuell auch Ängste. Daher haben sich Menschen immer damit beschäftigt, die Unsicherheit zu reduzieren. Typische Beispiele dafür sind Religionen, Übersinnliches usw. oder auch die schlichte Verweigerung, die Komplexität anzuerkennen.

Komplexitätsforschung versucht ein besseres Verständnis zu entwickeln und Wege zu finden, in sinnvoller Weise Komplexität zu reduzieren. Dazu ist es notwendig, Muster zu erkennen. Davon handelt dieses Buch.

Brockmann erklärt und beschreibt im ersten Kapitel Komplexität und was ihre Besonderheiten sind. Dieses Kapitel ist die Grundlage für das Verständnis der folgenden, die sich mit Koordination von komplexen Netzwerken, Kritikalität als Kipppunkte und kollektivem Verhalten als Kooperation befassen. Dabei betont er, dass diese Reihenfolge von der Leser:innen  nicht eingehalten werden muss.

Wer wissen möchte, wie wir in Zukunft leben werden und mit welchen Problemen dabei jeder einzelne zu tun haben wird, sollte dieses Buch unbedingt lesen.

Das Buch ist 2021 im dtv Verlag erschienen und in allen Buchhandlungen erhältlich.

Autor: Dr. Peter Westebbe