Unser Motto unseres Jugend Online Events ist Kollaboration. Aber was ist Kollaboration und wie unterscheidet sie sich von Kooperation? Oft wird zwischen den Begriffen kein Unterschied gemacht und mal von Kollaboration und mal von Kooperation gesprochen. Gemeint ist in beiden Fällen Zusammenarbeit.

Ist dann Kollaboration nur ein aus dem Englischen übernommener Begriff, der in die Mode gekommen ist, aber im Grunde
nichts Neues beinhaltet? Hätten wir dann nicht als Motto Zusammenarbeit wählen können?

Das sind berechtigte Fragen, auf die ich hier eingehen möchte.

Beide Begriffe Kooperation und Kollaboration haben eine lange Geschichte. Dabei ist die Kollaboration in Europa etwas in Verruf geraten, da damit die Zusammenarbeit und Unterstützung des Feindes in Kriegen bezeichnet wurde. Der Kollaborateur tat dies freiwillig und darin bestand sein Verbrechen.

Hier ist bereits der erste Unterschied deutlich: Kollaboration ist immer freiwillig, Kooperation kann es sein, muss es aber nicht. Traditionell organisierte Unternehmen oder Behörden sind hierarchisch aufgebaut.

Aufgaben sind in Abteilungen strukturiert und Entscheidungen werden von oben nach unten durchgereicht. Es herrscht das Prinzip „Command and Control“, also Anweisungen geben und ihre Durchführung zu kontrollieren.

Dies ist nur dann einigermaßen möglich, wenn die Anweisungen als Prozess niedergelegt sind, an den sich alle Mitarbeiter, die es betrifft, zu halten haben. Diese Prozesse müssen ständig überarbeitet und an neue Aufgaben angepasst werden.

Dies funktioniert gut in stabilen Märkten. Werden Märkte volatil oder dynamisch, beginnt ein Hinterherlaufen, was zu zunehmend unübersichtlichen Prozessen führt, die immer schwieriger anzupassen und zu kontrollieren sind.

In diesen traditionell aufgebauten Unternehmen ist Kooperation auf allen Ebenen und nach außen existentiell notwendig. Die einzelnen Abteilungen müssen miteinander kooperieren und das Unternehmen selbst mit anderen Unternehmen, die Zulieferer sein können, die die Logistik übernehmen oder mit denen gemeinsame Entwicklungen erarbeitet werden. Allen diese Kooperationen gemeinsam ist, dass sie entweder mündlich, schriftlich oder organisatorisch in Verträgen festgelegt sind.

Kooperationen sind für die Existenz von Unternehmen notwendig – Kollaboration für ihr Überleben

Foto: skeeze auf Pixabay

Nicht alle Unternehmen müssen hierarchisch organisiert sein. Dazu gehören z.B. Genossenschaften, die sich heterarchisch organisiert haben. Das bedeutet nicht, dass sie vollständig auf Hierarchien verzichten wollten und konnten.

Es gab immer wieder Versuche, eine reine Heterarchie zu verwirklichen. Doch alle diese Versuche sind letztlich gescheitert. Bewährt haben sich Kombinationen aus beiden. Hierarchien und Kooperationen schaffen Beständigkeit, sind aber für Innovationen ungeeignet. Heterarchien sind dynamisch, aber leicht unbeständig und daher immer gefährdet. Ihre Beständigkeit braucht eine gewisse Größe.

Das Konzept der heterarchischen Organisation findet sich wieder in den sozialen Netzwerken. Durch das Internet entstanden und entstehen solche Netzwerke, die heterarchisch funktionieren. Jeder Teilnehmer dieser Netzwerke ist dort aus freier Entscheidung und hat die Möglichkeit, sich spontan an Aufgaben beteiligen oder auch nicht. Er oder sie tut dies aus freien Stücken und kann das Netzwerk jederzeit wieder verlassen, wenn es den eigenen Vorstellungen nicht mehr entspricht.

Durch diese Netzwerke wurde eine andere Form der Zusammenarbeit auf breiter Basis möglich, die Kollaboration. Die Konzepte Heterarchie und Kollaboration verkörpern demnach das wesentliche Funktionsprinzip der Wissensproduktion durch Viele.

Phänomene wie Open Source, open educational resources (OER), Wikis wie Wikipedia, Common Craft Lizenzen zum Urheberrecht, Lernmanagementsysteme wie Moodle oder ePortfoliosysteme wie Mahara verdanken ihre Entstehung und konsequente Weiterentwicklung der Kollaboration in heterarchischen Netzwerken.

Damit erwiesen sich die Netzwerke nicht nur als hoch kollaborativ, sondern traditionellen Organisationsformen als überlegen. Sie sind schneller und vor allem zuverlässiger. Ihre Produkte und ihr Wissen erzeugen Standards, mit denen hierarchisch organisierte Prozesse nicht mithalten können.

Sie sind zu unbeweglich, können mit Fehlern und Konflikten nicht schnell genug umgehen und sind vor allem immens kostspielig.

Kooperation braucht hierarchische und Kollaboration heterarchische Strukturen.

Kooperation ist statisch und vertraglich festgelegt. Kollaboration ist dynamisch und beruht auf freiwilliger Teilnahme.

Wenn der Innovationsdruck steigt, die Märkte dynamischer werden, reichen hierarchische Strukturen nicht mehr aus. Dafür gibt es in jüngster Zeit genügend Beispiele. Besonders deutlich wird dies im Konzept der Agilität, wobei agil hohe Beweglichkeit bedeutet. Ein Beispiel für ein agiles Verfahren ist Scrum, das ursprünglich für die Softwareentwicklung geschaffen wurde, sich aber mehr und mehr in anderen Bereichen durchsetzt.

Wie geht Kollaboration und was muss ich dazu können? Kollaboration kann man lernen. Grundlagen sind Fachkompetenzen. Doch das allein reicht noch nicht. Kollaboration ist auch die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen. Es erfordert ein höheres Maß an Selbstständigkeit, Bereitschaft sich zu verständigen und Konflikte partnerschaftlich auszutragen.
Das ist manchmal nicht einfach, aber auf der anderen Seite ist der Gewinn an Freude an der eigenen Arbeit immens.


In diesem Jugend Online Event haben wir daher die Kollaboration in den Mittelpunkt gestellt, um einen Ein- und Überblick zu geben, wie sich Berufe und Arbeit in Zukunft entwickeln wird.

Dr. Peter Westebbe