Das sind die 3 klassischen Fragen, die jeder Schüler und jede Schülerin kennt, wenn es darum geht, sich für eine Berufsausbildung oder ein Studienfach zu entscheiden.

Hier geht es zum Podcast.

 

Wer bin ich? Was kann ich? Was will ich?

So lautet auch der Titel des neuen Buches von Claas Triebel zur Coaching Methodik der Kompetenzenbilanz. Claas Triebel hat 2003 als Student am Lehrstuhl Professor Dr. Dr. mult. Lutz von Rosenstiel mit dem Zukunftszentrum Tirol zusammen die Kompetenzenbilanz entwickelt. Mittlerweile ist die Kompetenzenbilanz fast 20 Jahre alt. Sie hat jedoch nichts von ihrer Aktualität eingebüßt – im Gegenteil: 2017 wurde sie von der Stiftung Warentest als bestes Karrierecoaching Verfahren ausgezeichnet.

Das Buch ist sehr klar und gut verständlich. Das Coachingverfahren der Kompetenzenbilanz ist mit vielen Beispielen genau beschrieben. Ebenso das SKATE-Modell. Besonders gefällt mir auch der gesellschaftspolitische Bezug, den das Buch nimmt und die Bedeutung für die Zukunft der Arbeit. Für mich stellt es ein Grundlagenwerk für Berufs- und Karriereberatung dar. 

Bedeutung der Kompetenzenbilanz für die Neue Arbeitswelt 

Unsere Arbeitswelt ändert sich in rasendem Tempo und wird zunehmend unvorhersehbarer und unbestimmter. Das Konzept vom Beruf fürs Leben hat ausgedient. Die Anpassungsanforderungen an jede einzelne Person steigen. Wenn Arbeitnehmer:innen die Orientierung nicht mehr im Außen finden, ist es unabdingbar, sich an sich selbst zu orientieren, an den eigenen Anlagen und Talenten, erlernten Fähigkeiten, persönlichen Interessen und Neigungen. „Umso wichtiger wird es für die Lebenszufriedenheit jedes Einzelnen, die eigenen Kompetenzen in ihrem vollen Umfang zu kennen und gezielt zur beruflichen Weiterentwicklung einzusetzen“. Hier greift der Coachingansatz der Kompetenzenbilanz. Die Coachees lernen sich selbst kennen. Sie reflektieren ihr Tun und Handeln, stellen Zusammenhänge her und entdecken Übereinstimmungen. Auf diese Weise erkennen sie die Ressourcen, aus denen sie ihre Energie schöpfen, lernen diese gezielt einzusetzen und lebenslang weiterzuentwickeln. 

Berufliche Entscheidungen können fortan auf der Basis der in der jeweiligen Person individuell angelegten Potenziale (Stärken und Interessen) getroffen werden und müssen nicht mehr nach dem oft üblichen Ausschlussverfahren (das passt nicht, das auch nicht usw.) vorgenommen werden. Coachees werden damit sehr viel sicherer in der Wahl der Jobs. Ihnen gelingt es leichter, den nächsten „Flicken“ zu ergattern und „an die eigene Patchwork-Biographie anzukleben“. 

 

Wirkungen der Kompetenzenbilanz

Die Wirkungen der Kompetenzenbilanz wurden in zahlreichen wissenschaftlichen Studien belegt. Personen, die ein potentialorientiertes Coaching durchlaufen haben, werden in einem viel höherem Maße zu Gestaltern des eigenen Lebens. Sie sind selbstsicherer und ideenreicher in ungewohnten Situationen. Sie sind eher überzeugt, Probleme aus eigener Kraft lösen zu können und sehen Erfolge als die Ergebnisse eigener Anstrengungen. Darüber hinaus scheinen diese Personen auch besser abschalten und mit Stress umgehen zu können. (vgl. im Buch S. 47ff)

Ich bin ruhiger geworden durch die Kompetenzenbilanz, ich habe mich selbst kennen gelernt und weiß jetzt, was ich kann. Ich stress mich nicht mehr so.“ (Zitat S.50)

Coaching mit der Kompetenzenbilanz ist ein gut strukturierter Lernprozess

„Hilf mir es selbst zu tun!“ lautet einer der berühmten Sätze von Maria Montessori. So arbeitet auch der/die Coach mit der Kompetenzenbilanz.  Die Coachees werden in einem kurzen und wohlstrukturierten Lernprozess ermächtigt, sich selbst und die weiteren persönlichen Lern- und Entwicklungsprozesse eigenständig zu steuern. Es gelingt den berühmten „roten Faden“ für das eigene (berufliche) Leben und Lernen zu finden und immer wieder neu aufzunehmen.

Das Coaching folgt dabei einer wissenschaftlich begründeten Dramaturgie, die den im Buchtitel anklingenden Prozessfragen nachgeht.

 

    1. Wer bin ich?
      In der Biographiearbeit wird herausgearbeitet, wie eine Person zu der Person geworden ist, die sie jetzt ist. Es wird nach den Quellen gesucht, „aus denen die Person ihr Selbstwertgefühl bezieht“ (S.56).
    2. Was kann ich?
      Es wird eine Bestandsaufnahme erstellt, was der/die Coachee bereits alles getan und bewirkt hat. Es werden Übereinstimmungen und Parallelen in verschiedenen (beruflichen) Situationen erforscht, Zusammenhänge hergestellt und individuelle Handlungsfolgen analysiert.
    3. Was will ich?
      Im letzten Schritt geht es um konkretes Tun, darum ins Machen, ins Handeln zu kommen. Dieser Schritt wird vorbereitet. Tun muss ihn der/die Coachee anschließend selbst. 

Die Kompetenzenbilanz stellt damit einen Rahmen für selbstorganisiertes (lebenslanges) Lernen zur Verfügung.

 

Konsequenzen für die Berufsorientierung in der Schule

Will man Schüler und Schülerinnen gut auf die Arbeitswelt vorbereiten, müssen ihnen viel mehr Möglichkeiten geboten werden, sich selbst kennen zu lernen und auszuprobieren. Das passiert (noch) viel zu wenig in Praktika, Service Learning Konstrukten, Projektarbeiten sowie Unterrichtskonzepten und Curricula wie z.B. Social Entrepreneurship Education und der damit oft verbundenen Gründung von Schülerfirmen. Für derartige Lernformen ist viel zu wenig Platz in den Lehrplänen. Die Lernchancen wären dagegen ungeheuer groß. Im konkreten Tun miteinander machen die jungen Personen Erfahrungen mit sich selbst und den anderen. Die wichtigen und von vielen Stellen eingeforderten Zukunftskills könnten so gleichsam „spielerisch“ erworben werden.

 

Sehenswerte Links:

Autorin: Gabriela Westebbe